Die Biografin Vita Sackville-West versetzte mich ins Staunen.
Lange Zeit kannte ich Vita Sackville-West nur als die Frau hinter den berühmten Sissinghurst Castle Gardens. Eine exzentrische Aristokratin, die sich mit Leidenschaft der Gartenkunst widmete. Dann hörte ich: Sie war in love with Virginia Woolf. Der Roman Orlando sei nicht nur ihr gewidmet – sie sei Orlando.
Ein faszinierender Gedanke. Und ich begann, mehr über sie zu lesen.
Eine perfekte Ehe?
Ich griff zu Porträt einer Ehe von Nigel Nicolson, dem Sohn von Vita Sackville-West. Seine Offenheit überraschte mich – und machte mich zugleich unruhig.
Darf man so tief in die Intimsphäre anderer blicken, selbst wenn es sich um die eigenen Eltern handelt? Was hat ihn dazu bewegt, so schonungslos zu erzählen? Liebe zur Wahrheit? Oder doch ein Rest Rache an einer Mutter, die nie wirklich Mutter war – zu exzentrisch, zu sehr sie selbst?
Wer war Vita Sackville-West wirklich?
Je mehr ich über sie las, desto widersprüchlicher wurde das Bild.
In Porträt eines Gartens von Julia Bachstein (Hrsg.) und Sissinghurst von Jane Brown erfuhr ich, dass Vita öffentlichkeitsscheu war, gern allein blieb, um zu schreiben – und zu lesen. Das erstaunte mich.
Also begann ich, endlich ein eigenes Buch von ihr zu lesen: nicht The Edwardians, ihren bekanntesten Roman, sondern ihre Biografie über Jeanne d’Arc – Jeanne d’Arc: The Virgin of Orleans. Ich war neugierig, wie Vita die berühmte Jungfrau interpretiert. Ich erwartete zwar keine leichte Lektüre. Doch was ich fand, das übertraf meine Vorstellung.
Eine Biografin mit wissenschaftlichem Anspruch
Das Buch ist ein echtes Schwergewicht: über 540 Seiten, elf Anhänge, präzise Quellenarbeit. Keine leichte Kost – aber hochinteressant.
Schon im ersten Kapitel widmet sich Vita obsessiv einer einzigen Frage: Wie mag das Mädchen ausgesehen haben? Seitenlang argumentiert sie, dass Jeanne keine Schönheit gewesen sein muss. Sie war stark, mutig, kriegerisch – aber auch sensibel, weinte oft und liebte schöne Dinge.
Sie (Jeanne d’Arc) war in der Tat leicht zu rühren und weinte bei jeder sich bietenden Gelegenheit reichlich – eine so seltsame Mischung weiblicher uud männlicher Eigenschaften, wie sie nur je den Feind unermüdlich bestürmt hat und dann bitterlich weinte, wenn sie ihn verwundet sah.
Ich spürte: Vita schreibt nicht nur über Jeanne. Sie sieht sich selbst in ihr. Jetzt verstand ich, warum sie ausgerechnet Jeanne d’Arc gewählt hatte.
Schreiben im Turm – mit 4.000 Büchern

Vita schrieb die Biografie 1936 – vier Jahre, nachdem sie mit Harold Nicolson nach Sissinghurst gezogen war.

Sie richtete sich ein Schreibzimmer im Zwillingsturm ein – ein intimer Rückzugsort mit Blick über die Gärten. Ich wollte wissen, wie viele Bücher das Ehepaar eigentlich besaß. Sie muss sehr viel gelesen haben, um solch eine Biografie zu schreiben. Die Antwort der KI war beeindruckend:
Die Bibliothek von Sissinghurst
Sissinghurst Castle beherbergt rund 11.000 Bücher – die viertgrößte Sammlung im Besitz des National Trust und eine der bedeutendsten erhaltenen Bibliotheken des 20. Jahrhunderts in Großbritannien.
Im Writing Room, Vitas persönlichem Arbeitszimmer im Turm, stehen fast 4.000 Bücher, thematisch geordnet – von Astronomie bis Renaissance-Poesie. Alles ist noch heute an seinem Platz. Die Bücher erzählen von einer Frau mit außergewöhnlich vielseitigem Geist.
Diese Bibliothek ist nicht nur eine Sammlung – sie ist ein Spiegel des Denkens, ein intellektuelles Zuhause. Sie zeigt, wie zwei Menschen – Vita Sackville-West und Harold Nicolson – Literatur lebten. Und liebten.
Ein letzter Gedanke
Ich kann das Buch über Jeanne d’Arc im Moment nicht zu Ende lesen. Leider. Ich muss anderen Büchern den Vortritt lassen – meinem eigenen Buchprojekt zuliebe.
Aber eines ist sicher: Vita Sackville-West war eine wirklich erstaunliche Frau.
Ich sage Sissinghurst und Vita erstmal Adieu. Ich komme sicher auf Euch zurück.

Wenn du Vita Sackville-West ebenso faszinierend findest – teile den Beitrag gern weiter.
© Spurensucherin








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